Man muss nur das Bild einer jungen Mutter mit ihrem Baby sehen und den Titel lesen, um zu wissen, dass es sich bei „Marias Testament“ nur um ein bestimmtes Testament handeln kann: das der Mutter Jesu. Der irische Autor Colm Tóibín, dessen Bücher schon mehrfach ausgezeichnet wurden, lässt Maria in einem Monolog zu Wort kommen, in dem sie als betagte Frau auf die Ereignisse um das Wirken und Sterben ihres Sohnes zurückblickt.
Doch die Maria dieses kurzen, mit leiser Stimme erzählten Romans ist keine Heldin, keine Heilige oder fast überirdische Person mit Sendungsbewusstsein. Sie ist eine einfache, sehr weltliche Frau und Mutter, die ihren Sohn qualvoll am Kreuz hat sterben sehen müssen. Auch viele Jahre nach diesem schrecklichen Ereignis hat sie ihre Trauer über den Verlust des Sohnes nicht überwunden und von der Mythenbildung, dass er durch seinen Tod die Welt erlöst hat, möchte sie nichts wissen. Für sie war sein Tod grausam und die überflüssige Konsequenz seiner Lehren und auch Wunderbezeigungen, die zwar seine Anhänger überzeugte, aber die Obrigkeit herausforderte. Für Maria, die nur Zeugin sein will, war es „das nicht wert“. Deshalb lässt sie sich auch nicht dafür vereinnahmen, die Geschichte ihres Sohnes so erzählen, wie diejenigen, die sie für die nachfolgenden Generationen festhalten möchten, hören wollen.
Wir wissen, was die Chronisten aufgeschrieben haben. Durch „Marias Testament“ wissen wir auch, wie seine Mutter diese Ereignisse erlebt und empfunden hat…Von Irmgard
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