Amgash, eine trostlose Provinzstadt im mittleren Westen der USA und
ihre Bewohner – unterschiedlichste Menschen mit ihren eigenen
Lebensgeschichten, die aber trotzdem, mal mehr, mal weniger,
miteinander verflochten sind. Die Kapitel, die wie eigenständige
Erzählungen daherkommen, liefern kleine Puzzleteile, die dem Leser
einen Eindruck des verkorksten Lebens einiger dieser
Kleinstadtbewohner vermitteln. Sie alle haben eine Gemeinsamkeit:
Sie hadern mit ihrem Schicksal.
Auch wenn im Laufe des Romans viele Menschen in den Vordergrund
treten, verliert man als Leser nie den Überblick. Sehr gekonnt
erzählt, verknüpft die Autorin die Geschichten ihrer Protagonisten.
Leser ihrer bisherigen Bücher werden einige Personen
wiedererkennen. Gerne empfohlen für Leser, die nicht ganz
chronologisch erzählte Geschichten mögen.
Helene
Diese Lektüre aus der Bücherei, kannst du für dich hier vormerken.
Das Buch „Der Zopf“ von Laetitia Colombani handelt von drei Frauen, die in ganz verschiedenen Welten und Kulturen leben.
Smita und ihre Familie leben in Indien und gehören zu den Unberührbaren. Um für ihren Unterhalt zu sorgen, reinigt Smita die Latrinen der höher gestellten Bewohner des Ortes. Sie nimmt ihre kleine Tochter mit, damit sie lernt, wie man mit bloßen Händen die Exkremente herausholt und sie anschließend auf den Feldern verteilt. Smitas Mann jagt tagsüber Ratten, die sie abends für die Familie brät. Ihr Mann ist tief im Glauben verwurzelt und hofft auf ein besseres Leben nach seiner Wiedergeburt. Doch Smita will ihrer Tochter schon jetzt ein besseres Leben ermöglichen. Sie soll Lesen und Schreiben lernen und es einmal besser haben als ihre Mutter. Deshalb beschließt Smita eines Tages ihren Mann und das Dorf zu verlassen.
Giulia, 19 Jahre, lebt in Palermo und hilft ihrem Vater in der kleinen Perückenfabrik, die die Familie schon seit Generationen besitzt. Als ihr Vater einen Unfall hat und ins Koma fällt, übernimmt sie die Leitung der Firma. Sie muss feststellen, dass die Firma hochverschuldet ist und immer weniger Aufträge bekommt, vor allem auch, weil die Qualität der Perücken inzwischen nicht mehr besonders gut ist. Giulia arbeitet hart, um die Arbeitsplätze der Mitarbeiterinnen erhalten zu können. Nur in der Mittagszeit trifft sie sich heimlich mit Kamal, der ihr Mut und Kraft gibt und vor allem Ideen, wie sie die Fabrik moderner machen kann.
Die dritte Frau, die Laetitia Colombani vorstellt, kommt aus Montreal, Kanada. Sie ist eine angesehene Anwältin und alleinerziehende Mutter von drei Kindern. Besonders wichtig ist ihr, Beruf und Familie zu trennen, wodurch ihr Alltag durchstrukturiert ist. Beruflich ist sie kurz davor, die Karriereleiter hochzusteigen und Partnerin in der Kanzlei zu werden, was ihr jedoch immer weniger Zeit für ihre Kinder lässt. Als sie die Diagnose Krebs erhält, fällt sie in ein tiefes Loch, beschließt aber, den Kampf gegen die Krankheit alleine durchzuziehen. In ihrem Terminkalender vermerkt sie verschlüsselt die Termine für die Arztbesuche und Therapien und macht allen in der Kanzlei etwas vor. Bis eines Tages ihre Assistentin im Wartezimmer ihres Arztes sitzt.
Am Ende des Buches fügt Laetitia Colombo das Leben dieser drei Frauen zusammen, obwohl sie sich nie begegnet sind.
Laetitia Colombani erzählt von den Schicksalen dreier sehr starker Frauen, die ihr Leben trotz aller Widerstände in die Hand nehmen und sie zeigt, dass es sich immer wieder lohnt, einen Neuanfang zu wagen.
Ein sehr berührendes Buch mit Tiefgang, das sich lohnt zu lesen!
Lanzarote am Neujahrstag: Nach einem durchwachsenen Silvesterabend steigt Henning aufs Fahrrad, um sich von dem beklemmenden und beängstigenden Gefühl ständiger Überforderung abzulenken. In regelmäßigen Abständen befallen ihn regelrechte Panikattacken, deren Ursache er darin zu erkennen glaubt, dass er seine Rolle als Ehemann, Familienvater und Verlagsmitarbeiter nicht ausfülle.
Typisch für ihn, dass er auch in die Fahrradtour auf die Passhöhe nach Femés schlecht vorbereitet startet und er erreicht das Ziel am Rande seiner Kräfte. Nicht nur um sich etwas zu trinken zu erbitten, zieht es ihn auf dem Pass fast magisch in ein noch etwas höher gelegenes altes Gehöft. Als ihm die Besitzerin das Anwesen und einen tiefen Brunnen zeigt, übermannen ihn plötzlich Bilder, die ihm offenbaren, dass er hier schon einmal gewesen sein muss. Wie kann das sein?
Von hier an wird eine unglaublich mitreißende, spannend und hervorragend geschriebene Geschichte erzählt. Juli Zeh schafft es mit meisterhafter Psychologie, die Ängste des sechsjährigen Henning zu erzählen, der mit seiner kleinen Schwester tagelang allein auf dem Gehöft verbringen musste, weil die Eltern aus unerklärlichen Gründen verschwunden waren. Er begreift, dass die verdrängten Erlebnisse sein ganzes Leben beherrschen und muss sich endgültige Klarheit verschaffen.
Die Witwe Florence Green eröffnet im Jahre 1959 in einem kleinen englischen Küstendorf eine Buchhandlung. Mutig stürzt sie sich in die Vorbereitungen und stattet ihren Buchladen liebevoll aus. Die Einwohner des kleinen Städtchens begegnen dem Vorhaben zunächst mit Skepsis, doch schon bald stellen sich erste Stammkunden ein. Bis jedoch Florence das gerade erschienenes Buch „Lolita“ verkauft, des bis dahin unbekannten Autors, Vladimir Nabokov, ist der Ärger und die Aufregung groß.
Der köstliche englische Humor und die feinsinnigen Personenbeschreibungen machen diese Geschichte zu etwas Besonderem. So erzählt der Film sowie die Romanvorlage von Penelope Fitzgerald »Die Buchhandlung« aus dem Jahre 1978 ebenso auch eine Geschichte über das Scheitern und sie entlässt den Leser nicht so einfach in ein bequemes und absehbares Happy End.
Es lohnt sich, den Film in der Originalfassung mit Untertiteln anzusehen, um das herrliche Englisch zu genießen und der detailgenauen, der ländlichen Darstellung Englands in neuen ungewöhnlich schönen Bildern zu folgen.
Mit der Literaturverfilmung „Der Buchladen der Florence Green“ ist der Regisseurin Isabel Coixet eine Hommage ans Lesen, an gute Bücher und an die kleine, persönliche Buchhandlung gelungen.
Und egal, wie eine Geschichte ausgeht, jeder sollte an seine Träume glauben. Dass Florence mutig um ihre Buchhandlung kämpfen muss und ihr bereits der Bankangestellte am Anfang wenig Hoffnung auf ein florierendes Buchgeschäft macht, bildet damals wie auch heute die Situation des Buchhandels ab.
Ein alter Mann sitzt wie fast jeden Tag auf einer Bank unter einer Birke auf dem ältesten, leicht verwahrlosten Teil des Friedhofs, das sogenannte „Feld“, und er blickt über die vielen Grabsteine hinweg. Er malt sich aus, was die Toten wohl erzählen würden, wenn sie sprechen könnten und fragt sich, ob sie überhaupt sprechen wollten.
Seethaler lässt sie sprechen und gibt den unterschiedlichsten Bewohnern einer unbedeutenden Stadt einen Namen und eine Stimme. Die Toten erzählen kleine und große, bezeichnende und weniger wichtige, dramatische und ein bisschen romantische, ausführliche und knappe Geschichten aus ihrem Leben und malen so auch ein Bild ihrer Heimatstadt Paulstadt.
Wer eine unterhaltsame und üppige Stadtchronik erwartet, könnte enttäuscht werden. Manchmal lassen sich Fäden zwischen den erzählenden Toten verknüpfen, aber oft auch nicht, so dass das Bild von Paulstadt fragmentarisch bleibt. Aber wer sich auf Seethalers Episodentechnik einlässt, bekommt eine Idee davon, wie vielfältig das Leben ist: Im einzelnen und in der Summe. Für jeden einzelnen, der da auf dem Paulstädter Friedhof liegt, war es sein individuelles Leben und ob es glücklich oder weniger glücklich war: Jeder hatte nur dieses eine Leben und hat daraus gemacht, was er vermochte.
Ein Buch, das von Toten erzählt wird, bricht mit dem Tabu des Todes in unserem modernen Leben. Der Leser erfährt nicht, wie das Sterben ist, aber er bekommt die Gewissheit, dass jeder den Schritt auf die andere Seite des Lebens schaffen kann; schließlich muss er ihn ja auch schaffen! Keiner kann die Zeit und das Leben festhalten. Das kann man bedauern, das kann man aber auch getrost akzeptieren.
Ilaria lebt in Rom und arbeitet dort als Lehrerin. Sie hat ein enges Verhältnis zu ihrem Vater, der im 2. Weltkrieg Partisan war, jetzt jedoch dement. Nach seiner Scheidung von Ilarias Mutter heiratet er seine wesentlich jüngere Sekretärin, die ihn nun liebevoll pflegt. Der Vater hat jedem seiner vier Kinder eine Wohnung gekauft, in der Ilaria und ihr Halbbruder wohnt. Nie hat sie sich Gedanken gemacht, woher der Vater wohl so viel Geld hat. Doch plötzlich steht ein junger Flüchtling aus Äthiopien vor ihrer Tür und behauptet, ihr Neffe zu sein, von dem aber noch niemand in der ganzen Familie gehört hat.
So bleibt Ilaria nichts anderes übrig als sich mit der Vergangenheit ihres Vaters, der 1935 für Mussolini in Afrika war, zu beschäftigen. Schon bald muss sie feststellen, dass ihr Vater ein Faschist war. Ilaria geht tiefer in die italienische Geschichte und Melandri beschreibt anhand von historischen Fakten wie z.B. Italien Äthiopien kolonialisierte, seine Verbindungen zu Eritrea und was zum Abessinienkrieg führte.
Immer wieder kommt Melandri wieder zurück auf den äthiopischen Flüchtling und Neffen, Attilio, und somit auf die heutige Flüchtlingspolitik Italiens. Attilio beschreibt seine Erlebnisse auf der Flucht durch die Wüste, übers Meer bis nach Lampedusa und schließlich das Ausharren in den Flüchtlingslagern.
Ilaria, die sich immer als eine politisch korrekte Person verstanden hat – außer ihrer heimlichen Beziehung zu einem Abgeordneten der Berlusconi Partei „Forza Italia“ – verzweifelt an dem Verhalten der Politiker den Flüchtlingen gegenüber und sie sieht keinen anderen Ausweg, als selbst Teil dieses Systems zu werden.
Das Buch „Alle, außer mir“ hat mich sehr an die Bücher von Elena Ferrante erinnert. Auch Francesca Melandri erzählt sehr spannend eine fiktive Familiengeschichte und verknüpft diese mit gut recherchierten historischen Ereignissen. Sie reichen von der Vergangenheit bis zur Politik der jetzigen Regierung.
Trotz einiger Längen ist das Buch durch die Familiengeschichte spannend und gleichzeitig historisch sehr interessant und informativ.
Das Buch spielt 1944 zum Ende des Zweiten Weltkrieges am Mondsee in Österreich.
Veit Kolbe ist als deutscher Soldat an der Ostfront verwundet worden. Durch eine Granate mittelschwer verletzt, kommt er zur Genesung an diesen vermeintlich idyllischen Ort. Er hat alles erlebt, was man als deutscher Soldat der Wehrmacht erleben kann, hat alle Verbrechen dieser Zeit gesehen und ist verwundert, dass er nach 5 Jahren an der Front noch immer am Leben ist.
Als ein Beschädigter, Pervitin und -Drogenabhängiger geht er zu seinem Onkel, der vor Ort Postenkommandant und als solcher in der Lage ist seinem Neffen ein Quartier zu beschaffen.
Veit ist froh davon gekommen zu sein und möchte so schnell nicht wieder eingezogen werden. Von da ab, dort am Mondsee entfaltet sich der Erzählraum unter der Drachenwand über Verschickte, Geflohene und Verwundete, die der Krieg irgendwie zusammen gebracht hat. Für Veit ist es ein Atemholen auf der Flucht.
Arno Geiger kommt seinen Figuren sehr nahe. Die Schilderung der Ängste, Schmerzen, der Verzweiflung aber auch der zarten Freude bringt sehr viel über die Menschen hervor. Als Leser erfährt und durchlebt man dies ähnlich.
Absolut lesenswert und fesselnd! Kein Wunder, dass der Roman mit dem langweilig anmutenden Titel schon so lange auf den Bestsellerlisten steht.
Ein Roman in drei Erzählsträngen auf drei Zeitebenen: England 1852, Ohio/USA 2007 und China 2098. Alle verbindet die Geschichte der Bienen, deren ökologische Bedeutung durch die Geschichte Taos bewusst wird: Die junge Landarbeiterin Tao, die wie fast die gesamte Bevölkerung Chinas als Blütenbestäuberin arbeiten muss, verliert ihren Sohn durch ein unerklärliches Ereignis, das aber so herausragend ist, dass die Regierung ihr das Kind vorenthält. Sie begibt sich auf die scheinbar aussichtlose Suche. – Rund 90 Jahre vorher scheitert in den USA die Existenz des Imkers George, als ein seltsames, immer mehr um sich greifendes Verschwinden der Bienenvölker auch seine Bienen vernichtet. Kann sein Sohn Tom Georges Leben einen neuen Sinn geben? – Im England des 19. Jahrhunderts steckt der als Akademiker gescheiterte, in den Zwängen des Familienvaters von acht Kindern steckende William seine Energie und Hoffnung in die Entwicklung eines modernen Bienenstocks. Seine Tochter Charlotte ist die einzige in der Familie, die ihn versteht und unterstützt.
Dieser Roman lehrt den Leser, die Natur zu schätzen, ohne belehrend zu sein. Sehr zu empfehlen.
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